Donnerstag, 4. Juli 2024
Am 23.06.2024 verließen wir Istanbul. Sohn und Enkel begleiteten uns bis Yalova, wo wir einen gemeinsamen Strand- und Spielplatztag einlegten. Am nächsten Morgen stiegen die beiden auf die Fähre nach Eskihisar um von dort aus zum Flughafen weiterzufahren.
Wir legten dann noch einen Wasch- und Proviantbeschaffungstag in Yalova ein. Die Stadt hat ca.120.000 Einwohner und bietet gute Einkaufsmöglichkeiten. Vor allem die Markthalle mit ihrem lauten und hektischen Betrieb war ein Erlebnis.
Am 25.06.2024 verließen wir Yalova Richtung Westen. Am Nachmittag erreichten wir Malkara, ein kleiner Fischer- und Ferienort. Im Fischereihafen sahen wir uns nach einem Liegeplatz um und wurden sofort von jemandem herbeigewunken, der uns an seinem Kutter längsseits festmachen ließ.
Wir waren nun nicht mehr in einer Großstadt, sondern auf dem Land, wo Gastfreundschaft ganz groß geschrieben wird. Die Leute kamen sofort auf uns zu und wollten wissen, woher wir kämen und wohin die Reise ginge. Wir sollten unbedingt sagen, was wir alles bräuchten. Geschwind wurde ein Dorfbewohner angerufen, der Englisch sprach; dieser kam umgehend vorbei und hat übersetzt. Nachdem die Treibstoffversorgung mit Kanistern und Bollerwagen immer recht aufwendig ist, habe ich deren Angebot angenommen und mich mit unseren leeren Kanistern zur Tankstelle fahren lassen. Teresa blieb an Bord und wurde währenddessen mit frischen Garnelen versorgt, die wir dann zum Abendessen zubereitet haben.
Es war für die Fischer wohl recht ungewöhnlich, deutsche Gäste in ihrem Hafen zu begrüßen. Am Abend sollten wir dann noch unbedingt mit dem Bruder eines Fischers in Deutschland telefonieren, der uns von Hamburg aus nochmal gebeten hatte, uns sofort zu melden, wenn wir noch was bräuchten. Uns wurde dann noch mitgeteilt, dass der Fischkutter am nächsten Morgen schon um 5:00 Uhr raus fährt. Wir haben uns darauf eingstellt und sind um 4:30 Uhr aufgestanden, aber um 5:00 Uhr war weit und breit niemand zu sehen. Wir sind dann einfach losgefahren, in der Annahme, dass das Meer um 5:00 Uhr morgens noch schön ruhig sei. Von Kroatien sind wir gewöhnt, dass bei Hochdruckwetterlage erst gegen Mittag Wind aufkommt, der sich gegen Abend wieder legt. Dies gilt am Marmarameer leider nicht. Hier kann es sein, dass der Wind Tag und Nacht bläst. Dies bekamen wir unmittelbar nach der Hafenausfahrt zu spüren. Hohe Wellen schwappten seitwärts gegen unser Boot, was das Fahren sehr ungemütlich machte, so ungemütlich, dass wir uns nach acht Kilometer entschieden haben, wieder in einen Hafen einzulaufen. Diesmal landeten wir in Kurşunlu, ebenfalls ein Fischerhafen. Dort kam sofort ein Dorfbewohner auf uns zu und hat abgeklärt, ob wir an der Hafenmauer, wo wir festgemacht hatten bleiben dürften. Auch hier waren wir herzlich willkommen.
Die Wetterprognose für die nächsten Tage war nicht sehr optimistisch, weshalb wir uns schon darauf eingestellt hatten, länger in Kurşunlu zu bleiben. Kursunlu war nicht die schlechteste Option, zumal es Wasser gab, der Dorfladen über WLAN verfügte und wir uns dort einloggen durften. Beim Übersetzen hat dann Google-Übersetzer geholfen. Am Nachmittag nahm ich mir die Zeit, den Kühlwasserfilter zu reinigen. Den Deckel habe ich handfest zugeschraubt, in der Annahme dass dies ausreichend sein müsste und ich den Deckel bei der nächsten Inspektion wieder mühelos aufbekäme. Weit gefehlt, den ganzen Nachmittag und Abend lief unbemerkt Wasser ins Boot. Als Teresa am Abend die zwei Stufen, in die Kajüte hinabstieg, stand sie plötzlich im Wasser. Nun war Alarmstufe Rot angesagt! Sofort beide elektrischen Pumpen angeschmissen und mit der Handpumpe nachgeholfen. Nach 20 Minuten war das Boot wieder leer. Am nächsten Tag wurde der gesamte Motorraum und die überfluteten Bereiche in der Kajüte nochmal mit Süßwasser gespült und alles war wieder gut. Bei der nächsten Inspektion werde ich vermutlich Spezialwerkzeug benötigen, um den Deckel wieder aufzubekommen…
Am nächsten Tag ist der Wind gegen Nachmittag wider Erwarten eingeschlafen, und wir haben Kurşunlu Hals über Kopf verlassen, um weiterzukommen. Am selben Tag haben wir dann noch 30 km bis Şahinburgaz zurückgelegt. Şahinburgaz war noch schöner als Kurşunlu und wir bekamen die Zusage, so lange bleiben zu können, wie wir wollten, zumal für die nächsten Tage Sturm angesagt war. Die Frau des Hafenmeisters ist in Deutschland aufgewachsen und sprach somit perfekt deutsch.
Şahinburgaz vermittelt den Eindruck einer perfekten Idylle. Hier gibt es zahlreiche Cafes, großenteils mit schattigen Gärten, wo die Einheimischen ihre freie Zeit verbringen, Eltern, die mit ihren Kindern Schach oder Backgammon spielen, die Tasse Tee für 25 ct.
Im Hafen lag wenige Meter von uns ein Kajütboot, das einer einheimischen Familie gehörte, die gerade dabei war, sich auf ihre Urlaubsreise vorzubereiten. Wir wurden gleich auf englisch angesprochen und wurden aufgefordet, uns sofort zu melden, wenn wir irgendwas bräuchten. An einem der Tage durften wir dann in die nächste Stadt zum Einkaufen mitfahren. Wir wurden dann auch noch mit roten Zwiebeln (eine Spezialität in der Region) und Kirschen beschenkt. Der Hafenmitarbeiter hat uns mit Obst versorgt. Als Teresa im Dorfladen keine Gurken fand, wurde sie gleich von einem Kunden, der das mitbekam, zu einem Haus geführt, wo eine ältere Dame Gurken anbaut und verkauft.
Çisem, (2. von inks) und Emre mit ihren Söhnen Poyraz (2. von rechts) und Atlas.
Emre besitzt zwei Frachtschiffe, mit denen er Ware über das Mittelmeer und das das Schwarze Meer (großenteils in die und von der Ukraine) transportiert. Emre und Çisem haben dafür gesorgt, dass es uns an nichts fehlte. Von allen jungen Leuten mit denen wir ins Gespräch kamen, hatte der zehnjährige Poyraz, der bisher nur ein Jahr Englischunterricht hatte, die besten Englischkenntnisse.
Am zweiten Abend in Şahinburgaz kam laute Musik vom Dorfplatz. Wir saßen auf unserem Boot und es kamen mehrere elegant gekleidete junge Leute an unserem Boot vorbei und zeigten sich beeindruckt von der Auflistung unserer Etappen, die hinter der Windschutzscheibe klebt.
Sie haben hiervon gleich auf dem Fest berichtet, so dass noch andere Leute neugierig wurden und vorbeikamen. Wir wurden dann gefragt, ob man uns zur Circumstance Wedding auf den Dorfplatz einladen dürfe. Wir konnten mit dem Begriff nichts anfangen, aber Google hat das Rätsel gelöst: Bei der Feier handelte es sich um eine sog. Beschneidungs-Hochzeit. Eine Familie aus dem Dorf hat dieses Ritual an ihren drei Söhnen im Alter von vier, acht, und zehn Jahren an einem Tag vollziehen lassen. Wir wurden von Gästen der Feier an deren Tisch eingeladen und durften mitfeiern.
Ibrahim (1.v.l), seine Frau Oznur (in der Mitte), Tochter Bensu (3.v.l) und Sohn Arda (hinter seiner Mutter)
Ibrahim ist Direktor der Berufsfachschule für Gesundheit in Bandirma, Oznur ist Lehrerin.
Nachdem wir schon drei Tage und vier Nächte in Şahinburgaz verbracht hatten, sollte der Wind laut Wetterprognose am 01.07.2024 nachlassen. Emre wollte am selben Tag wie wir starten und wir hatten geplant, einen Teil der Strecke gemeinsam zu fahren. Am frühen Morgen war das Meer immer noch aufgewühlt und Emre hat vorgeschlagen, erst einmal ein Stück gegen die Wellen zu fahren und zu kreuzen. Mir waren die Wellen immer noch zu hoch und wir entschieden uns, abzuwarten. Wir sind uns dann am nächsten Tag wenige km vor Çanakkale wieder begegnet. Am frühen Nachmittag haben Wind und Wellen doch noch nachgelassen und wir sind dann noch bis in den frühen Abend gefahren, um mal wieder etwas Strecke zu machen. Gegen 19:30 Uhr sind wir in Akzaz, einem kleinen Fischerdorf eingelaufen. Freie Liegeplätze gab es nicht, wir durften aber in dritter Reihe längs an einem Fischerboot festmachen.
Am 02.07.2024 fuhren wir weiter Richtung Dardanellen. In der Meerenge der Dardanellen kam etwas Seegang auf, der uns kaum beeinträchtigt hat; zahlreiche Frachter waren jedoch mit Volldampf unterwegs, und wir hatten große Mühe, deren Wellenschlag auszuweichen. Manchmal blieb uns nichts anderes übrig als die Wellen frontal zu nehmen und zu hoffen, dass es gut geht. Mrs. Columbo knallte in die Welle, dass wir das Gefühl hatten, dass der Rumpf gleich auseinander bricht.
Çanakkale-1915-Brücke
Nach einer Bauzeit von fünf Jahren wurde sie 2022 von Erdogan eröffnet und ist mit einer Spannweite von 2023 Metern die längste Hängebrücke der Welt.
Der Name der Brücke soll an die Schlacht von Gallipoli im Ersten Weltkrieg von 1915 erinnern, die in der Türkei nach der Provinz Çanakkale benannt wird. Die Höhe der Pylonen (318 Meter) erinnert an den 18. März des gleichen Jahres, als ungefähr dort britische und französische Kriegsschiffe versenkt wurden. Die Stützweite von 2023 Metern nimmt auf die geplante Hundertjahrfeier zur Gründung der modernen Türkei im Jahr 1923 Bezug. (Quelle: Wikipedia)
Unterwegs haben uns Emre und Çisem mit ihrem Boot eingeholt.
Çanakkale war unsere letzte Station in der Türkei; hier mussten wir für die Weiterfahrt nach Griechenland ausklarieren. Unweit von Çanakkale liegt die Ausgrabungsstätte von Troja. In Çanakkale steht das Modell des trojanischen Pferds, welches für den Spielfilm „Troja“ aus dem Jahr 2004 errichtet wurde.